Wohnen

Im eigenen Zuhause und in der Freizeit: Klientinnen und Klienten werden selbst aktiv und gestalten ihr Umfeld nach ihren Wünschen.

Aktive Wegbegleiter sein

Von Ute Engelhardt, Geschäftsführerin Franz Sales Wohnen GmbH

„Ich weiß doch selbst, was gut für mich ist!“ So oder ähnlich äußern sich unsere Klient:innen immer häufiger – und das ist gut so. Immer mehr Menschen mit Behinderung haben eine Vorstellung davon, wo sie im Leben hin möchten und wollen den Weg dorthin selbstständig gestalten. Unsere Rolle ist es, sie in ihren Plänen zu unterstützen und sie auf dem Weg zu ihren Zielen zu begleiten. Wo Menschen sich aufgrund ihrer Einschränkungen nicht so selbstbewusst äußern können, müssen wir ihre Vorstellungen aus ihren Reaktionen und ihrem Verhalten herauslesen. Das ist natürlich deutlich schwieriger, aber dennoch möglich.

Für uns geht es grundsätzlich um das, was die Klient:innen wollen – und wie wir sie dabei in der jeweils geeigneten Wohnform am besten unterstützen können. Das heißt auch, dass wir uns selbst und unsere Ideen zurücknehmen müssen, um den eigenen Entscheidungen der Klient:innen Raum zu geben. Aber wie lässt sich das Tag für Tag umsetzen? Gerade in den besonderen Wohnformen, die lange von festen Abläufen und Rahmenbedingungen geprägt waren, gilt es Strukturen und unser Handeln zu hinterfragen, um den Bedarfen der Menschen wirklich gerecht zu werden. Sind solche Hürden erst einmal überwunden, sind mehr Selbstbestimmung, Lebensqualität und Zufriedenheit das Ergebnis.

Individuell genau hinzuschauen, lohnt sich. Zum Beispiel bei einem Jugendlichen, bei dem es durch die ständige Begegnung mit Mitbewohnern und die räumliche Situation in einer Kleingruppen-WG häufig zu Eskalationen kam – trotz bester Personaldichte und gut qualifizierten Kräften. Erst im Einzelwohnen ist gelungen, was durch das Umfeld der Gruppe immer wieder ­gescheitert ist. Für uns besteht die Herausforderung darin zu erkennen, welche Veränderungen nötig sind. Dabei kann es auf neuen Wegen durchaus Rückschritte und Situationen geben, die als „Scheitern“ ­erlebt werden. Aber auch das ist Normalität und darf sein!

Werden Ziele verfehlt, müssen wir die ­Klient:innen auch dabei professionell begleiten, aus negativen Erfahrungen zu lernen und neue Strategien aufzubauen. Letztlich ist ihre Zufriedenheit der Maßstab, an dem sich der Erfolg unserer Arbeit zeigt.

Viele weitere Beispiele haben uns im vergangenen Jahr gezeigt, wie wir unsere Klient:innen individuell auf ihrem Weg unterstützen können: Wir müssen gut beobachten und eng im Austausch mit der jeweiligen Person sein, mutig Entscheidungen treffen, die Wirksamkeit unseres Handelns überprüfen und auch Misserfolge zulassen. Dann können wir unsere Qualität stetig verbessern – und unsere Klient:innen können immer sicherer in ihrer Selbstbestimmung werden. Im Zuge dieser Entwicklung haben wir schon viele gute Erfahrungen gesammelt und sehen uns gemeinsam auf einem guten Weg. Das ermutigt uns für die Zukunft!

Die Klient:innen geben selbstbewusst die Richtung vor

kurz & kompakt

Speed Dating: Mit einem neuen Format hat die Franz Sales Wohnen GmbH die angehenden Heilerziehungspfleger:innen (HEP) beim obligatorischen Wechsel ihrer Praktikumsstellen unterstützt: Bei einer Jobbörse mit Speed Dating hatten sie die Möglichkeit, Stellen und Mitarbeitende verschiedener Wohnbereiche kennenzulernen. Nach einem lebendigen Austausch konnten viele Stellen-Wünsche erfüllt werden und die erfolgreiche Veranstaltung wird auch 2023 fortgesetzt.

Franz gucktFreizeit: Mit der barrierearmen Online-Plattform „Franz guckt“ hat der Freizeitbereich die digitale Teilhabe im Franz Sales Haus maßgeblich nach vorne gebracht. Alle Klient:innen können hier verschiedene Infos abrufen und in der passwortgeschützten „Medienkiste“ Fotos und Videos zu Veranstaltungen und Aktivitäten ansehen. Auch die Inhalte aus dem selbst produzierten „Franz TV“ sind hier zu finden. Aktuell arbeitet das Team daran, immer mehr Inhalte inklusiv zu produzieren. Perspektivisch sollen Redaktionsteams aus verschiedenen Unternehmensteilen für ein vielfältiges Angebot sorgen.

Ausnahmesituation: Im März musste unser Campus an der Steeler Straße wegen einer Bomben­entschärfung komplett geräumt werden. Dank des großen Engagements der Mitarbeitenden und der Geduld der vielen betroffenen Klient:innen wurde dieser auf­regende Tag gut bewältigt – und es blieb das gute Gefühl, eine besondere Herausforderung gemeinsam gemeistert zu haben.

WG-Neustart: Seit Ende 2022 leben drei Klienten aus dem Haus Damian als neue WG im Prälatenhaus auf unserem Campus. Hier können sie in einem kleinen Setting ihren Alltag gestalten. Zusammen haben sie die WG eingerichtet und sind zu einer guten Gemeinschaft geworden. Wöchentlich werden die Wünsche aller Mitbewohner besprochen, um einen gemeinsamen Umgang mit den jeweiligen Themen zu finden. Alle haben nun mehr Verantwortung in ihrem persönlichen Bereich und erleben die neue Wohnform als sehr positiv.

Ukraine-Flüchtlinge: Im März hat das Franz Sales Haus 17 geflüchtete Mädchen und junge Frauen mit Behinderung aus der Ukraine aufgenommen. Sie kamen aus einem Waisenhaus in Kyiv zusammen mit drei Betreuerinnen nach Essen; der CBP (Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V.) hatte die Fahrt organisiert. An unserem Standort an der Ruhrallee fanden die Geflüchteten ein Quartier, in dem sie alle gemeinsam bleiben konnten. Inzwischen besuchen fast alle die Förderschule oder den Berufsbildungsbereich der Werkstatt. Auch die Herausforderung, Personal mit entsprechenden Sprachkenntnissen zu finden, haben wir bewältigt. Unter anderem gehören auch drei Geflüchtete aus der Ukraine zum Betreuungs-Team, das die jungen Frauen im Wohnbereich unterstützt.

Grundsteinlegung: Im November 2022 konnten wir in Bochum-Altenbochum den Grundstein für eine neue Einrichtung legen: Die Franz Sales Wohnen GmbH wird hier gemeinsam mit der Stiftung Auszeit und dem Verein Menschenkinder aus Bochum sogenannte Kurzzeitpflegeplätze für Kinder und Jugendliche anbieten. Für Situationen, in denen die eigenen Betreuungspersonen der Kinder ausfallen, stehen dann 16 Einzelzimmer und das entsprechende Personal für Betreuung und Versorgung zur Verfügung.

Aktiver Kinderrat: Der Kinderrat der Franz Sales Wohnen GmbH hat sich ausführlich mit den Kinder­rechten beschäftigt, die für alle Kinder der Welt gelten. Im Rat setzen sich Vertreter:innen aller Kinder- und Jugendgruppen für die Wünsche und Themen aller Kinder ein, die im Franz Sales Haus wohnen. Sie tauschen sich z.B. mit unserem Sport­verein über die Nutzung der Fußballplätze am Sportzentrum aus und bringen sich mit ihrer Perspektive auch in das unternehmensweite Gewaltschutzkonzept mit ein.

Udos TeestubeEigeninitiative: ABW-Klient Udo Wagner hat sein Angebot der „Mobilen Teestube“ wieder aufgenommen. Er kommt mit Getränken und Snacks in unterschiedliche Wohnbereiche, um Menschen zusammenzubringen. Dabei legt er Wert darauf, dass Teilnehmende aus unterschiedlichen Wohnformen zusammenkommen, damit Klient:innen Kontakte knüpfen und pflegen können – und damit auch Menschen, die sich aus den Augen verloren haben, sich wieder treffen können.

Weiterblättern zu: